Lesezeit 5 Minuten

Wer eine erfolgreiche Dachmarke hat, kann darunter noch lange nicht alles verkaufen was Geld bringt! Auch wenn der Markenname bereits eingeführt ist, das Vertrauen der Konsumenten vorhanden ist und die Kanäle und Strukturen geebnet wurden oder man gerade mit einer Marke beginnt.

Mit den Produkten eines Unternehmens sind Image und Werte für EINE Zielgruppe fest verankert. Wer das nicht wahrnimmt, kreativ sein möchte  – setzt die Identität aufs Spiel und rammt erste Wunden in das Herz der Marke.

Der amorphe Begriff „Markendehnung“ beschreibt letztendlich die Bemühung eines Unternehmens mehrere Produkte unter einen Deckmantel zu stecken. Ein Dach, deren Zielgruppen oder Interessensmillieus nicht homogen sind. Auf Deutsch: Markendehnung ist wie Regen und Sonne. Immer zu Heiß für die Einen, immer zu nass für die Anderen.

Oben anfänglich genannte Beispiele grenzen natürlich an Nonsens. Doch findige Manager haben oft ein feines Gespür dafür, solche Grenzen kreativ zu überschreiten. Das beginnt meistens in der Kommunikation und Werbung („Machen wir doch ein Cover mit süßen Tieren vorne drauf“) und endet bei kontraproduktiven Ideen für die eigenen Produkte und der eigenen Marke. („Wäre rosa nicht eine tolle Farbe für die Zerspanungsmaschine? Meine Frau mag rosa! Und unser Unternehmensblau ist soooooo langweilig“)

„Herr Götzenbrugger, jetzt nehmen Sie doch mal den Stock aus….“ Hörte ich bereits, als ich versuchte vor schlimmen Folgen zu warnen.

Die Grenze zwischen Irrsinn und strategischen Benefit sind hier tatsächlich fließend – oft unsichtbar und letztendlich straffrei für den Manager. Aber die Gesundheit der Marke? Schleichend und über Jahre kann so die Markenkommunikation verwaschen, aufgeweicht und für den Konsumenten nicht mehr glaubhaft dargestellt werden.

Passt etwa ein Roller in das Angebot einer US-Amerikanischen Traditionsmarke für lautstarke Motorräder? Kann ein traditioneller deutscher Fleischwursthersteller plötzlich Veggi-Wurst anbieten? Gehen Fast Food und Low Food unter einem Goldenen M zusammen? Darf eine deutsche Automarke eine zweite Billigmarke unter ihrem Stern bringen?

Alles naheliegende Produkte, die scheinbar im Kontext der jeweiligen Marke sind. Essen zu Essen, Auto zu Auto. Alles Beispiele aus der Realität, Alles Beispiele die wir kennen. Es gibt davon noch sehr viel mehr Beispiele. Und sehr viele davon scheitern. Dann heißt es: „Das haben wir schon alle probiert: GEHT NICHT.“ Doch warum genau gelingen Markendehnungen so selten? Gefährden die Dachmarke und ruinieren deren Ruf, leiten letztendlich die aktive Sterbehilfe ein?

Das Markenimage ist mit einem Gefühl für ein Produkt oder eine Leistung verbunden. Dieses Gefühl für die Marke und das Produkt wird auch als Fremdbild beschrieben. Innerhalb dieses Fremdbildes stehen Werte, Emotionen, Leistungen und ein Versprechen die den Wert der Marke bilden. Wird einer dieser Faktoren gestört oder geändert, bei gleichem Produktportfolio, so wird der Konsument verunsichert. Oder bleiben die Werte gleich und das Produktportfolio ändert sich – auch hier entstehen Fragen, die sich der Konsument besser nicht stellen sollte.

Eines meiner Lieblingsbeispiele liefert die Marke Harley Davidson. Im Jahre 1950 haben die Amerikanischen Hardliner, deren Motorräder für den amerikanischen Traum stehen, dessen Image fest Verbunden ist, mit dem lauten Blubbern der Auspuffanlage und einher geht mit dem Bild von bärtigen Rockern in Kutten – genau diese Heros der Totenkopf hofierenden Zielgruppe haben es gewagt, einen Motorroller für junge Damen auf den US-Markt zu rollen. Den italienischen Vespas sollte hier Konkurrenz mit dem amerikanischen Way of life gemacht werden. Nur ein paar Jahre nach der Markteinführung wurde der Harley Davidson „Topper“ natürlich wieder vom Markt genommen mit der Erkenntnis, das atypische Produkte die hart erarbeitete Käuferschicht und diejenigen, die sich extrem mit der Marke identifizieren zurückgestoßen fühlen und man damit die Marke verwässert: „Because Brand-loyal customers do not feel attracted to the extendet products, these consumers may change their purchasing pattern.“

Eine wichtige Warnung für Markendehnung ist in diesem Kontext auch: Man darf nicht zu gierig sein. Und Gier ist nicht umsonst eines der sieben Hauptlaster des Menschen. „Ihr könnt sicher sein, dass kein unzüchtiger, unreiner oder habgieriger Mensch je das Reich Christi und Gottes miterben wird.“ Nun gut. Ich möchte hier nicht überzogen wirken. Aber Habgier wird von der Rechtswissenschaft als „rücksichtsloses Streben nach Gewinn um jeden Preis“ definiert. Sie gehört zum subjektiven Tatbestand (Mordmerkmal der ersten Gruppe). Und hier sind wir am Punkt angelangt. Dieses streben nach Mehr, führt schnell zum Tod der Marke. Letztendlich kann man auch, wenn man provokativ sein möchte, vom Mord an der Marke sprechen.

Der Konsument denkt in Schubladen. Der Konsument wohnt in Schubladen. Wird nun etwas in seine Schublade geworfen, was hier nicht herein gehört und er das Gefühl hat das man nach ihm ködert, verliert er das Vertrauen. Folgende Manifeste sollte man also Beachten:

  • Manifest Nr. 1: Das neue Produkt muss unbedingt mit dem Image der Dachmarke harmonisieren und gleiche Wiedererkennungsmerkmale aufweisen.
  • Manifest Nr. 2: Das neue Produkt muss die gleiche Zielgruppe ansprechen wie die Dachmarke.
  • Manifest Nr. 3: Je profilierter die Marke bereits ist, desto innovativer muss das neue Produkt sein.
  • Manifest Nr. 4: Eine Markendehnung muss strategisch und konsequent ablaufen.
  • Manifest Nr. 5: Einzig sehr starke Marken überleben Markendehnungen.

Ob nun Würstchen von BMW oder Mülltüten von Dior. Im Grunde kann man die Frage nach einer berechtigten Markendehnung einfach beantworten: Bereichert ein neues Produkt unsere Marke oder soll unsere Marke von einem Produkt zähren. Wer ersteres mit Ja beantworten kann, dazu die Manifeste einhält, hat schon die halbe Miete für eine sensible Markendehnung.

Viel Glück.