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Die Digitalisierung greift mittlerweile in alle Bereiche des gesellschaftlichen aber auch wirtschaftlichen Alltags ein. Wir bekommen zu jeder Zeit sämtliche Informationen, können rund um die Uhr Handel treiben oder in weltweiten Kontakt mit anderen treten. Für globale Märkte ist dies eine sehr positive Entwicklung. Angebote können schneller und effizienter auf internationaler Ebene auf Kunden zugeschnitten werden. Alles gut, so scheint es. Aber die Märkte und die Verhaltensweisen der Konsumenten ändern sich in großen Schritten. Ein neues Paradigma steht vor der Tür: Die digitale Transformation – und sie kommt aus China.

Die jungen Erwachsenen, also die 2001 Geborenen, zählen heute zur „Always on“-Generation. Sie sind mit den modernsten Einkaufs- und Kommunikationsmethoden unserer Zeit eng verbunden. Ihr Verhalten ist nicht nur ein periodisches Muster, sondern eine ernst zu nehmende Transformation.

Die neuen E-Commerce-Kanäle und deren Systematik haben kaum mehr etwas mit klassischem Onlinehandel von 2010 zu tun, geschweige denn mit dem lokalen Einzelhandel. Das Konsumverhalten verändert sich weiter rasant. Die Hälfte der E-Commerce-Verkäufe wird sicherlich in naher Zukunft über M-Commerce (Mobile-Commerce) ablaufen.

Ein Blick auf die App TikTok hilft. In Rekordzeit – acht Jahre! – hat Zhang Yiming das Unternehmen Bytedance von einem kleinen Start-up zu einem weltweit agierenden Unternehmen ausgebaut. Mit 60.000 Mitarbeitern und einem geschätzten Marktwert von über 90 Milliarden Euro. Mit aktuell mehr als 800 Millionen Nutzern weltweit ist TikTok die am schnellsten wachsende Plattform der Welt.
Was könnten die Erfolgsfaktoren für solch ein Projekt sein?

1. Leben und scheitern in der Szene
Er habe als Student drei Dinge getan, sagte Zhang in einer Rede: „Erstens habe ich programmiert, weil ich ein Technikmensch bin. Zweitens habe ich viele Bücher gelesen. Drittens habe ich Computer repariert. Das hat mir drei Dinge gebracht: Geduld, Wissen und Freunde.“ Er arbeitete in er chinesischen Start-up-Szene, gründete 2009 sein erstes eigenes Unternehmen und sammelte noch spezifischere Erfahrungen als Entrepreneur in der digitalen Welt. Bis zu TikTok benötigte es einige Anläufe und gescheiterte Projekte.

2. Wissen um die technischen Möglichkeiten und der Zukunft.
Die Basis wurde mit Musical.ly eingekauft. Die Übernahme 2017 hat Yiming etwa eine Milliarde Dollar gekostet. Nahezu ein Schnäppchen. Eine einfache App, bei der man die Lippen zu einem Song bewegt und sich dabei filmt.
Nur ein knappes Jahr später wandelte Bytedance Musical.ly zu TikTok: Die Karaoke-App wurde neu gedacht und konnte mit einem gewandelten Image Millionen neue User erreichen.

Der Erfolg von TikTok hat auch etwas mit der Idee zur Verbreitung der Inhalt zu tun.
Bei Konkurrenzplattformen steht die Anzahl der Follower im Vordergrund: Viele Follower – entsprechend oft wird ein Video geteilt. TikToks Algorithmus tickt anders: Dem Nutzer werden unterschiedlichste Inhalte angeboten, auch von Anwendern mit wenig Followern – somit hat jedes Video ein viel höheres Potenzial, verbreitet zu werden.

3. Modernste Einnahmequellen
Bytedance, die Dachmarke von TikTok, hat laut Bloomberg 2019 einen Gewinn von drei Milliarden Dollar erwirtschaftet. Der Gesamtumsatz soll dabei 17 Milliarden Dollar betragen haben.
Das Unternehmen verdient einerseits Geld mit Werbung in den Apps, aber auch durch ein integriertes Belohnungssystem. Innerhalb von Tiktok können Anwender Münzen kaufen, um ihren Idolen Geschenke zu machen. Ein Münzpaket kann dabei mehr als 100 Euro kosten. Diese Zahlungsmethodik kommt vor allem aus dem Gaming-Sektor, wo Live-Streamer auf Plattformen wie Twitch mit „Subscriptions“, kurz „Subs“, durch andere Nutzer belohnt werden und somit Geld verdienen.

4. Internationaler Fokus
Bytedance hat es geschafft, durch Unternehmenszukäufe funktionierende Netzwerke in diversen Ländern, Inhalte, User aber auch Reichweite zu generieren. Dadurch wächst das Unternehmen rasant. Derzeit ist TikTok in 75 Sprachen verfügbar. Im Juli 2020 verfügte die mobile App weit über 800 Millionen aktive Nutzer. Die Verweildauer liegt im Schnitt bei 78 Minuten pro Tag. Durch diese Inhalts- und Uservielfalt kann auf Youtube und ähnlichen Plattformen massiv performt werden.

TikTok ist das erste globale Netzwerk, das nicht aus den USA, sondern aus China gesteuert wird. Aus Europa ist nicht einmal im Ansatz solch ein Netzwerk zu entdecken.

„Gerade im Mittelstand passiert einfach zu wenig.“

Achim Berg, Präsident des Digitalverbandes Bitkom

Von TikTok zum Mittelstand
Augenmerk verdient auch die global ansteigende Nutzung von mobilen Endgeräten, jedoch nicht bei der Nutzung von Apps wie TikTok, sondern im beruflichen Umfeld. Unternehmen sollten sich deshalb dem neuen Arbeits- und Kommunikationsverhalten der nachwachsenden Mitarbeiter-Generationen anpassen, indem sie neue Technologien und neue Workflows anbieten.

Nur ein Fünftel der deutschen Mittelständler zählt heute (laut „Handelsblatt“) zu den sogenannten digitalen Pionieren, die bereits Industrie-4.0-Techniken für Produktions-, Mitarbeiter- oder Arbeitsprozesse nutzen. Natürlich gibt es dafür rationale Gründe, dennoch zieht dies eine Trennlinie zwischen alten und neuen Geschäftsprozessen. Zwischen Altem und Neuem. Mit Paradigmen, die in Apps wie TikTok verwendet werden, haben selbst modernste Unternehmen in Deutschland Schwierigkeiten mitzuhalten.

Experten wie Achim Berg fordern, Unternehmen sollten gerade in Krisenzeiten die Digitalisierung vorantreiben: „Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sich Unternehmen jetzt auf die Digitalisierung konzentrieren“. Neu sind diese Rufe nach Digitalisierung nicht. Laut der Beraterplattform „Consultport“ möchten fast 50 Prozent der Mittelständler sich mit der Hilfe von externen Beratern digitalisieren.

Bewegung in Sichtweite
Blickt man genauer hin, sieht man noch wenig zählbares am Digitalisierungshimmel, aber Bewegung. Ein Drittel befragter Unternehmen aus den Bereichen Logistik, Automotive und Maschinenbau verfügt laut der Lündendonk®-Studie über eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie.

Die Logistik- und Transport-Branche sei, verglichen mit Unternehmen aus dem Automotive als auch dem Maschinen- und Anlagenbau Vorreiter. Ein positiver Aspekt der Studie: Den Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfung bewerten alle Branchen als hoch. Laut Lündendonk nutzen in der Logistik bereits mehr als die Hälfte der Unternehmen (61 Prozent) digitale Technologien, um Kosten zu sparen und Prozesse zu verbessern. Im Maschinen- und Anlagenbau verbessern 44 Prozent der Unternehmen ihre Services durch digitale Komponenten. Die Idee der Digitalisierung ist also angekommen. Wie weiter?

Die Vernetzung von Maschinen, Produkt-Logik, Prozesssteuerung und Vorhersagen für sämtliche Nutzungszyklen sollten nun immer mehr im Fokus der Unternehmen stehen. Diese Trends sollten als fortschrittlich erkannt, anerkannt und digital fokussiert werden. Die deutschen Unternehmen dürfen dazu noch ein Stück mutiger werden.

Bei Graustich ist die Entwicklung von Software für den Mittelstand, Schulen, Städten oder Industrie Alltag geworden. Auch wir standen vor großen Herausforderungen bei der Digitalisierung unseres Geschäftsmodells. Neben unseren klassischen Themen der Produkt- und Markenentwicklung und der Markenkommunikation gab es neue Herausforderungen, die wir schon sehr früh ernst genommen haben.

Unsere Herangehensweise:

1. Digitalität vestehen
Wir mussten zunächst digitale Themen verstehen und anwenden. Zunächst waren das reine Webpräsenz-Themen. Damit starteten wir schon nach der Jahrtausendwende. Mit enorm vielfältigen digitalen Kundenprojekten und diversen digitalen Eigenprodukten lernten wir neben dem technischen Wissen auch den Markt, die Szene und die Gesetzmäßigkeiten kennen.

Heute sprechen wir ganz selbstverständlich von dezentralem Edge-Computing, Blockchain, Künstlicher Intelligenz oder Virtual- und Augmented-Reality – das Ergebnis einer jahrelangen Annäherung und Spezialisierung unserer digitalen Unit. Das Umdenken im Kopf hat bei uns somit nicht erst gestern begonnen, sondern vor vielen Jahren.

2. Anwenden, scheitern, verbessern.
In neuesten digitalen Industrieanwendungen, die wir für unterschiedliche Branchen realisieren, zeigen sich hier spannende Anwendungen für die IoT-Zukunft. Dabei müssen diese Digitalisierungen nicht immer Großprojekte darstellen. Viel Potenzial wird auch im kleinen Service oder bei einfachen digitalen Verbesserungen verschenkt.
Unserer Meinung nach ist nicht das Geld das Problem, sondern die Einstellung zum Thema. Das Wissen, wie es bei uns ist, wird als Zukunftsspinnerei abgegolten. Die ernsthafte Auseinandersetzung findet kaum statt. Uns als Berater hinzu zu holen, fühlt sich für viele scheinbar als Verlust der eigenen Kontrolle an.

Was uns fehlt, ist nicht das Geld. Es ist der Antrieb, die Denkstruktur und die Ausbildung zu einer Innovationskultur.

Dipl. Des. (FH) René Götzenbrugger

Große Konzerne kaufen jetzt Start-ups, bilden Think-Tanks und suchen nach einem digitalen Geschäftsmodell, aber das Mindset im Konzern bleibt zu oft das Gleiche. Die Units werden bereits nach Kürze wieder zurückgesteuert oder geschlossen – vor allem, wenn Sie keinen Benefit, sprich ROI abwerfen. Da tickt USA oder China grundlegend anders.

Was muss sich ändern?

Unternehmen dürfen bei der kreativen Entwicklung ihrer Leistungen mutiger und digitaler denken. Sie sollten eine Innovationskultur in den eigenen Reihen aufbauen und diese fest in ihrer Markenidentität verankern. Die Entwicklung von Innovationen soll ein definiertes Gewicht zur Summe des Umsatzes aufweisen. Mindestens 3 % des Jahresumsatzes sollten Unternehmen in die Forschung und Entwicklung stecken – und damit lägen sie immer noch unter dem internationalen Schnitt.

Den höchsten Anteil am Umsatz geben seit langem nordamerikanischen Konzerne aus. Hier lag die F&E-Quote zuletzt bei 7,4 %. Europäische Konzerne gaben 5,0 % ihres Umsatzes für Forschung und Entwicklung aus.
Die F&E-Ausgaben der fünf größten Investoren mit Sitz in den USA betrug knapp 79 Milliarden Euro. Die fünf größten europäischen Konzerne gaben 43 Milliarden Euro aus.

Wie kann man loslegen?

  • Innovations-Taskforce gründen
  • Budgets diskutieren, entscheiden und planen
  • Budgets nicht nur in F&E stecken, sondern in eine generelle Innovationskultur
  • Innovations-Mindset verstehen und aufbauen (mit externer Moderation, Beratern, Projektleitern)
  • Innovations-Ziele definieren (mit externer Moderation)
  • Innovations-Projekte erarbeiten (mit externer Moderation)

Wer jetzt Lust auf Innovation, hat darf sich gerne bei uns melden…

Graustich

New Business als Schlagwort. Graustich hilft Unternehmen, ihre Idee zu entwickeln, oder ihr Geschäftsmodell zu transferieren. Aktuell erarbeiten wir zukunftsträchtige Projekte, die bereits bei der Entwicklung des Geschäftsmodells und der Strategie bei uns „from the scratch“ starteten. Wir haben dabei einen organischen Prozess und fluide Methodiken, die wir als prämierter German Innovation Award Gewinner zielorientiert anwenden. Für uns die spannendste Aufgabe unserer Zeit…